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Zeitzeugen

Kurzportäts der am Projekt beteiligten Zeitzeuginnen und Zeitzeugen


Vasyl Volodko
Vasyl Volodko  wurde am 22. Oktober 1924 in Schyroka Dolyna, Gebiet Poltava (Zentralukraine) geboren und wuchs als Einzelkind auf dem Land auf. Die Eltern waren in der Landwirtschaft tätig, in den sog. Kolchosen. Als Vasyl 17 Jahre alt war und gerade die 10. Klasse absolvierte, brach der Krieg aus. Als Mitglied des Kommunistischen Jugendbundes („Komsomol“) engagierte er sich in einer Untergrundorganisation, zu deren Tätigkeit u.a. die Verbreitung von antifaschistischen Flugblättern und Plakaten gehörte. Am 8. Juni 1943 wurde Vasyl während einer dieser Aktionen von der Polizei festgenommen und ins Gefängnis gebracht. Kurze Zeit darauf wurde er in einem Viehwaggon nach Deutschland transportiert und zur Zwangsarbeit im Steinkohlenbergbau in Saarbrücken eingesetzt, wo er Kontakte zu einer  Widerstandsorganisation knüpfte. Infolge eines gescheiterten Fluchtversuchs kam Vasyl Volodko ins Gestapo-Lager Neue Bremm, wo er anderthalb Monate lang menschenunwürdigen Haftbedingungen und grausamen Folterungen ausgesetzt war. Folterungen, die ihn fürs Leben gezeichnet und seine Gesundheit ruiniert haben. Am 14. Juni 1944 wurde der 19-Jährige ins Konzentrationslager Natzweiler überführt, wo er knapp vier Monate blieb. Im Oktober 1944, einen Monat vor der Befreiung des KZ Natzweiler durch die Alliierten, kam er mit einem Evakuierungstransport im Konzentrationslager Dachau an. Am 26. April 1945 wurde er zusammen mit anderen Häftlingen auf einen „Todesmarsch“ geschickt. Nach der Befreiung am 1. Mai 1945 kehrte Vasyl Volodko in seine Heimat zurück. Von 1947 bis 1952 absolvierte er am Polytechnischen Institut in Lviv / Lemberg ein Studium, das er als Diplom-Ingenieur für Transport- und Verkehrswesen abschloss. Seit 1964 lebt Vasyl Volodko in Kiew. Er ist verheiratet und hat eine Tochter.


Andrzej Korczak Branecki
Andrzej Korczak Branecki wurde am 15. Januar 1930 in Warschau geboren. Er was das vierte und jüngste Kind der Familie Branecki. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, war er gerade 9 Jahre alt. Im Herbst 1939 ging er zur Schule, in die 3 Klasse, musste sie aber bald wieder verlassen, denn seine kurz vor dem Krieg verwitwete Mutter konnte die fünfköpfige Familie alleine nicht ernähren. Mit verschiedenen Hilfsarbeiten für die Nachbarn verdiente er ein wenig Geld. Bald schloss er sich den Pfadfindern an und leistete 1941 den Pfadfinder-Eid, Gott und Vaterland zu dienen und seinen Mitmenschen zu helfen. Seitdem engagierte er sich aktiv in der polnischen Widerstandsbewegung. Als am 1. August 1944 in Warschau der Aufstand gegen die deutschen Besatzer ausbrach, war auch der 14-jährige Andrzej unter den Widerstandskämpfern. Im September 1944 wurde er von den Deutschen aufgegriffen und zusammen mit vielen anderen Widerstandskämpfern zuerst in ein Sammellager in Pruszków, dann in Viehwagons ins KZ Dachau gebracht. Dort bekam er die Lager-Nummer 106016. Bald danach wurde er nach Mannheim-Sandhofen, ein Außenlager des KZ Natzweiler, verlegt, wo er in den Daimler-Benz-Werken arbeiten musste. Im Dezember 1944 wurde Andrzej Korczak Branecki ins KZ Buchenwald gebracht, und im Januar 1945 nach Frankfurt am Main, wo er in den Adlerwerken arbeitete. Mitte März 1945 wurde er auf einem „Todesmarsch“ nach Buchenwald zurückgeschickt. Nach zwei Wochen kam er dort an, blieb jedoch nicht, sondern wurde ins KZ Flossenbürg transportiert, von wo aus er auf seinem zweiten „Todesmarsch“ ins KZ Dachau geschickt wurde. Am 29. April 1945 wurde dort von amerikanischen Truppen befreit. Andrzej Korczak Branecki kehrte nach Polen in seine Heimatstadt Warschau zurück und fing ein neues Leben an. 1951 gründete er eine Familie und zog zusammen mit seiner Frau zwei Söhne und eine Tochter groß. Heute hat er sechs Enkel und drei Urenkel. Nach wie vor lebt er in seiner geliebten Heimatstadt Warschau.

Max Mannheimer
Foto: Sr. Elija Boßler
Max Mannheimer wurde am 6. Februar 1920 in Neutitschein (Novy Jicin) in der Tschechoslowakei geboren und verbrachte dort seine Jugend. Knapp vier Monate nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht 1938 musste seine Familie den besetzten Teil des Landes verlassen und zog nach Ungarisch-Brod, dem Geburtsort der Mutter. Nach der Besetzung des ganzen Landes wurde Max Mannheimer gezwungen im Straßenbau zu arbeiten. 1942 heiratete er Eva Bock. Am 27. Januar 1943 deportierte man ihn zusammen mit seiner Familie in das Ghetto Theresienstadt. Kurz darauf brachte man alle gemeinsam in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau, wo Mannheimers Frau, seine Eltern und drei seiner Geschwister ermordet wurden. Max Mannheimer und sein jüngster Bruder Edgar kamen im August 1944 über das Konzentrationslager in Warschau in das KZ Dachau, wo sie in den KZ-Außenlagern in Karlsfeld und Mühldorf unter furchtbaren Bedingungen arbeiten mussten. Max Mannheimer erkrankte an Typhus. Am 28. April 1945 sollte das Lager evakuiert werden und die Häftlinge wurden gezwungen in einen Zug mit unbekanntem Ziel zu steigen. Am 30. April wurde Max Mannheimer zusammen mit seinem Bruder in der Nähe von Tutzing von Einheiten der US-Armee befreit. Er wog zu diesem Zeitpunkt weniger als 40 Kilo. Max Mannheimer kehrte zunächst in seinen Geburtsort zurück, entschloss sich aber 1946 – unter anderem aufgrund seiner zweiten Frau, der Deutschen Elfriede Eiselt – nach Deutschland zu ziehen. Max Mannheimer arbeitete als Angestellter bei verschiedenen jüdischen Organisationen und veröffentlichte seine Erinnerungen unter dem Titel „Spätes Tagebuch“. Er feierte im Februar 2010 seinen 90. Geburtstag und lebt heute in der Nähe von München. Er hat eine Tochter und einen Sohn. Seit 1988 ist er Vorsitzender der Dachauer Lagergemeinschaft und berichtet als Zeitzeuge vor Jugendlichen und Erwachsenen von seinen Erlebnissen in der Zeit der Nationalsozialismus. Unter dem Künstlernamen ben jakov wirkt Max Mannheimer seit den 1950er Jahren auch als Maler und hat seine Bilder in verschiedenen Ausstellungen präsentiert.



Leonid Rubinshtein
Leonid Rubinshtein wurde am 17. September 1927 in Minsk in einer jüdischen Familie geboren. Sein Vater war Bauarbeiter, die Mutter arbeitete in einer Konfektionsfabrik. Im Sommer 1941 absolvierte der 13-jährige die siebte Klasse. Dann brach der Krieg aus. Gleich nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Minsk begann die Massenumsiedlung der Juden in das nordöstliche Stadtviertel, wo im Juli 1941 ein Ghetto eingerichtet wurde. In regelmäßigen Abständen fanden dort Pogrome statt. Bei einem Pogrom am 2. März 1942 verlor Leonid seine Eltern. Auch sein Bruder Lew wurde am gleichen Tag von den Nationalsozialisten erschossen. Den leblosen Körper des Bruders trug Leonid zum Jüdischen Friedhof, wo sich ein Massengrab für die Ermordeten befand. Insgesamt 28 Familienmitglieder fielen den Erschießungen im Ghetto zum Opfer, lediglich Leonid und ein Cousin überlebten. Leonid konnte sich noch einige Zeit nach der Ermordung des Bruders verstecken, bis er im Spätsommer 1942 von den Deutschen gefasst wurde und ins Konzentrationslager in die Schiroka-Strasse kam. Danach wurde er ins KZ Majdanek gebracht. Nach Majdanek folgten noch Auschwitz-Birkenau und Dachau. Am Tag der Befreiung des KZ Dachau durch die 7. US-Armee am 29. April 1945 wog der 17-jährige Leonid nur noch 33 Kilo. Doch der Traum von der endgültigen Freiheit zerplatzte vorerst, denn aufgrund der Tatsache, dass er als Jude überlebt hatte, wurde er von den Sowjets unzähligen Verhören unterzogen. Die Nachkriegszeit in der Heimat gestaltete sich für Leonid Rubinshtein sehr schwierig. Zunächst arbeitete er als Maler bei einem Bauunternehmen. Bereits als verheirateter Mann entschloss sich Leonid, seinen Schulabschluss nachzuholen, und erwarb die Mittlere Reife an einer Abendschule. Anschließend absolvierte er eine Ausbildung im Bereich der Zahnmedizin und leitete viele Jahre lang ein renommiertes zahntechnisches Labor. Heute lebt der 84-jährige Witwer nach wie vor in seiner Heimatstadt Minsk.


Sylwester Kukuła
Sylwester Kukuła wurde am 19. Dezember 1922 in Gorzyce Wielkie bei Ostrów Wielkopolski (im südöstlichen Teil der Woiwodschaft Großpolen) als jüngstes von zehn Kindern geboren. Seine Eltern arbeiteten in der Landwirtschaft auf einem Landgut. Vor dem Zweiten Weltkrieg besuchte Sylwester ein Gymnasium in Ostrów Wielkopolski. Im April 1940 wurde er zusammen mit vielen seiner Schulfreunde und anderen Vertretern der polnischen Intelligenz verhaftet und Ende Mai ins KZ Dachau gebracht. In der hier eingerichteten Forschungsstation von Prof. Claus Schilling wurde er pseudomedizinischen Experimenten unterzogen. Nach Dachau durchlief Sylwester Kukuła viele weitere Stationen des NS- Lager- und Terrorsystems: So wurde er im September 1942 ins KZ Sachsenhausen gebracht, im März 1943 arbeitete er in einer SS-Baubrigade auf der Kanalinsel Alderney und wurde später an die spanische Grenze abgezogen. Sein Leidensweg führte weiter über Frankreich, Belgien und das KZ Dora bis nach Steyr in Oberösterreich, wo er am 5. Mai 1945 die Befreiung durch die Amerikaner erlebte. In Steyr lernte Sylwester Kukuła seine zukünftige Frau kennen, die dort Zwangsarbeit leisten musste. Nach Polen zurückgekehrt heirateten sie im Januar 1946 und zogen zwei Kinder groß – einen Sohn und eine Tochter. Heute können sie stolz und glücklich auf ihre drei Enkel blicken. Herr Kukuła und seine Frau leben in Warschau.


Henriette Kretz
Henriette Kretz wurde am 26. Oktober 1934 in einer jüdischen Familie in der damals polnischen Stadt Stanisławów (heute Iwano-Frankiwsk in der Ukraine) geboren. Seit 1935 lebte die Familie in der Nähe von Opatów im südöstlichen Polen (im Heiligkreuzgebirge = Góry Świętokrzyskie), wo Henriettes Vater als Arzt tätig war. Ihre Mutter war zwar Anwältin von Beruf, widmete sich aber ganz der Erziehung der Tochter. Bis zu diesem Zeitpunkt war Henriettes Welt in einer liebevollen Familie in Ordnung und ihre Kindheit unbeschwert. Nach dem Überfall auf Polen im Herbst 1939 floh die jüdische Familie vor den heranrückenden Deutschen. Henriette kam mit ihren Eltern zuerst nach Lemberg und bald darauf ins benachbarte Sambor. Ihr Vater wurde Direktor eines Sanatoriums für Tuberkulosekranke. Doch 1941 holten der Krieg und die Deutschen die Familie auch dort ein. Aus ihrer Wohnung wurden sie bald vertrieben und mussten in den jüdischen Stadtbezirk umsiedeln, wo kurze Zeit darauf ein Ghetto eingerichtet wurde. Sie waren ständig verschieden Gefahren ausgesetzt. Mehrmals gelang es Henriettes Vater seine Familie vor dem Schlimmsten zu bewahren und mit Hilfe von ukrainischen Bekannten oder durch Bestechung, die Familie vor der Erschießung zu retten und aus dem Gefängnis zu befreien. Immer wieder mussten sie sich verstecken. Henriettes Eltern wurden vor ihren Augen erschossen. Sie selbst konnte sich in einem Nonnenkloster verstecken und überlebte die Zeit des NS-Terrors. Nach dem Krieg kam sie auf Umwegen nach Antwerpen, studierte Kunstgeschichte und wurde Lehrerin für Französisch in Israel, wo sie insgesamt 13 Jahre lang lebte (1956-1969). 1969 kehrt sie nach Antwerpen zurück. Henriette Kretz ist verheiratet, hat zwei Söhne und drei Enkel. Sie interessiert sich für Politik, Literatur, Pädagogik, Malerei und Musik. Henriette Kretz ist Mitglied des polnischen Vereins „Kinder des Holocaust“, dem Juden angehören, die als Kinder den NS-Terror meist in Verstecken überlebt haben.

Igor Malitskiy
Prof. Dr. Igor Malitskiy wurde am 12. Februar 1925 in Charkow geboren. Im Mai 1941 absolvierte er die 8. Klasse, konnte seine Schulausbildung jedoch nicht fortsetzten, da die deutschen Truppen im Oktober 1941 Charkow besetzten. Bald darauf, Anfang 1942, wurde Igor Malitskiy von der Polizei verhaftet, konnte jedoch fliehen. Nach der zweiten Verhaftung wurde er in ein Kriegsgefangenenlager gebracht. Während des Transports nach Deutschland gelang es ihm zusammen mit anderen Kriegsgefangenen nach Österreich zu fliehen. Er wurde jedoch auf tschechischem Gebiet von der Feldgendarmerie festgenommen und in ein Gestapogefängnis nach Kladno geschickt. Später kam Igor Malitskiy nach Teresin, danach ins Konzentrationslager Auschwitz und schließlich 1944 ins KZ Mauthausen, wo er sich einer Untergrundsorganisation anschloss und auch an dem Aufstand teilnahm. Nach der Befreiung aus dem KZ wurde er in die Rote Armee eingezogen und leistete bis 1951 seinen Militärdienst in der DDR ab. Danach kehrte Igor Malitskiy in seine Heimatstadt zurück, studierte am Institut für Bergbau in Charkow und arbeitete in der Bergbauindustrie. Anschließend promovierte er und unterrichtete (1957) am Institut für Bergbau, war auch Dozent am Ukrainischen Institut für Fernstudium sowie Lehrstuhlinhaber an der ukrainischen Akademie für Ingenieur-Pädagogik, an der er bis heute lehrt. Professor Malitskiy nimmt aktiv am gesellschaftlichen Leben teil. Er ist Vorsitzender der Charkower regionalen Organisation antifaschistischer Widerstandskämpfer, ehemaliger politischer Häftlinge der nationalsozialistischen Konzentrationslager.


Lidia Skibicka-Maksymowicz
Die heute in Krakau lebende Lidia Skibicka-Maksymowicz wurde als dreijähriges Kind zusammen mit ihrer Mutter, ihren Großeltern und einem Bruder als sogenannte „Partisanenfamilie“ in Weißrussland verhaftet und ins KZ Auschwitz-Birkenau gebracht. Ihre Biographie zu schreiben ist nicht leicht, denn schon ihr „offizielles“ Geburtsdatum - 15. November 1939 - stimmt nicht. Einen Bruder hat sie auch nicht gehabt, dafür aber drei Schwestern, die nach dem Krieg geboren wurden. Ihre wahre Geschichte hat sie erst 1961 erfahren: dass ihre todtgeglaubte leibliche Mutter in der ukrainischen Stadt Donezk lebt, dass sie 1938 in der Nähe von Lemberg geboren wurde, und vieles mehr. Ihre eigenen Erinnerungen aus der Kindheit sind schrecklich, Hunger, Angst, Schreie... Nach der Ankunft im KZ wurde sie der Mutter entrissen, die Großeltern wurden vergast. Die Mutter versuchte den Kontakt zu ihrem kleinen Mädchen zu halten und ihr wenn möglich etwas Essbares einzustecken. Doch dann wurden sie für viele Jahre getrennt. Die Mutter wurde auf einen Todesmarsch zuerst nach Ravensbrück und dann nach Bergen-Belsen geschickt. Ihre kleine Tochter blieb bis zur Befreiung im Lager. Nach der Befreiung nahm eine kinderlose Familie aus der nun polnischen Stadt Oświęcim das Mädchen, das eine Mischsprache sprach, die aus vielen Sprachen bestand, zu sich. Man erzählte ihr, dass ihre Mutter gestorben sei. Lidia wurde 1947 von der polnischen Familie adoptiert und großgezogen. Sie ging zur Schule und arbeitete dann in einem Projektbüro in Oświęcim. Eines Tages, fast 17 Jahre nach der Befreiung aus dem Lager, bekam sie die Nachricht, dass ihre leibliche Mutter lebte. All die Jahre hatte ihre Mutter nach ihr gesucht und die Hoffnung nicht aufgegeben, dass ihre Tochter lebt. Nun hatte Lidia auf einmal zwei Mütter und zwei Familien. In Moskau fand das erste Wiedersehen mit der Mutter statt. 1962 brachte Lidia ihren Sohn in Polen zur Welt. Sie hatte sich endgültig entschlossen in Polen zu bleiben, besuchte aber regelmäßig ihre Mutter (sie starb 1986) und die wiedergefundene Familie in der Ukraine. Ihre Geschichte versteht Lidia Skibicka-Maksymowicz „als Warnung, was Menschen anderen Menschen antun können, selbst kleinen Kindern“.



Michael Treyster

Michael Treyster wurde am 7. Mai 1927 in Witebsk in einer jüdischen Familie  geboren. Sein Vater war als Buchhalter tätig, die Mutter widmete sich der Erziehung der Kinder.  Michael war das jüngste von vier Kindern, er hatte zwei ältere Brüder und eine Schwester. 1928, als Michael 8 Monate alt war, zog die Familie nach Minsk. Im Jahre 1934 wurde er eingeschult, 1941 hatte er gerade die 6. Klasse beendet. 1938 starb Michaels Vater. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion im Sommer 1941, als die deutschen Truppen Minsk besetzten, musste er zusammen mit seiner Mutter und der Schwester in das gerade eingerichtete Ghetto umziehen. Sein älterer Bruder kämpfte an der Front, der mittlere konnte sich noch vor dem Einmarsch der Deutschen in Sicherheit bringen. Im Ghetto blieb Michael bis Juli 1943. Danach wurde er in das in der Schiroka-Strasse in Minsk eingerichtetes Konzentrationslager überführt. Es gelang ihm jedoch bald, von dort zu fliehen und sich einer Partisanengruppe anzuschließen. Im deren Auftrag ging er nochmals ins Ghetto und führte etwa 30 Menschen in die Freiheit. Nach dem Krieg kehrte Michael Treyster nach Minsk zurück. 1948 absolvierte er ein Technikum und wurde berufstätig. 1954 begann er sein Abendstudium am belarussischen Polytechnischen Institut, das er mit Ingenieursdiplom abschloss. Michael Treyster arbeitete 45 Jahre lang auf dem Gebiet der Energieversorgung und ging 1993 in den Ruhestand. Er lebt nach wie vor in Minsk und hat eine Tochter und zwei Söhne. Michael Treyster ist Vorsitzender der belarussischen „Vereinigung von Juden - ehemaligen Häftlingen der nationalsozialistischer Ghettos und Konzentrationslager“ sowie Vizepräsident einer Internationalen Vereinigung von ehemaligen KZ- und Ghettohäftlingen.


Zdzisława Włodarczyk
Zdzisława Włodarczyk wurde am 21. August 1933 in der großpolnischen Stadt Kamiemiec geboren. Ihre Familie lebte in Warschau, wo ihr Vater Postbeamter war und die Mutter sich der Erziehung der drei Kinder widmete. Nach dem Überfall auf Polen im September 1939 floh die Familie Richtung Osten und gelangte bis nach Kowel in Wolhynien (heute in der Ukraine). Die tieffliegenden deutschen Flugzeuge, das Bombengetöse, die vielen toten Menschen und Tiere, die auf den Strassen lagen, sind Zdzisława bist heute in Erinnerung geblieben. Nach der Besetzung Ostpolens durch die Sowjets kehrte die Familie vermutlich gegen Ende Oktober 1939 nach Warschau zurück. Der Kriegsalltag war im besetzen Warschau nicht leicht. Angst war ein ständiger Begleiter, auch wenn die Eltern sich bemühten, die Kinder vor Gefahren zu schützen. Der Vater arbeitete weiterhin bei der Post, hatte sich aber wahrscheinlich im polnischen Widerstand engagiert, was jedoch vor den Kindern streng geheim gehalten wurde, damit sie nicht unversehens etwas verraten würden. Dies war auch notwendig, denn eines Tages wurde die Wohnung von Zdzisławas Familie durchsucht. Glücklicherweise wurde nichts Belastendes gefunden, obschon Flugblätter und andere verbotene Schriften in der Wohnung versteckt waren, wie die kleine Zdzisława trotz aller Geheimhaltung herausfand. Während einer Masseninhaftierung, nachdem der Warschauer Aufstand am 1. August 1944 ausgebrochen war, wurde die Familie verhaftet und am 8. August 1944 in einem der ersten Transporte aus Warschau nach Auschwitz deportiert. Dieses Schicksal wurde lediglich der kleinen Schwester erspart, denn sie konnte sich verstecken und blieb bei Verwandten in Warschau, was Zdzisława jedoch erst viel später erfuhr. Die Familie wurde auseinandergerissen, zuerst wurde der Vater von seiner Frau und den beiden Kindern getrennt. Bald wurden Zdzisława und ihr Bruder der Mutter entrissen und mussten in der Kinderbaracke von Auschwitz-Birkenau bleiben. Als die Mutter auf den Todesmarsch getrieben wurde und ins KZ Ravensbrück kam, blieben Zdzisława und ihr Bruder in Auschwitz-Birkenau. Nach der Befreiung aus dem Lager kamen sie zuerst in ein Kinderheim, wurden aber bald von ihrer Großmutter zu sich nach Jarocin geholt. Auch die Mutter kehrte zurück, wenn auch gesundheitlich sehr angeschlagen. Der Vater starb im KZ Flossenbürg. Zdzisława musste schon seit ihrem 15. Lebensjahr arbeiten, denn ihre kranke Mutter konnte die Familie alleine nicht ernähren. Sie wurde zuerst Praktikantin, dann Angestellte bei der Stadtverwaltung in Jarocin. 1966 heiratete sie, ihr Ehemann kam aber zehn Jahre später bei einem Unfall ums Leben. Frau Zdzisława Włodarczyk wohnt in Chrzanów, einer 40 km westlich von Krakau gelegenen Kleinstadt. Seit Ende der 1980er Jahre engagiert sie sich ehrenamtlich für das Maximilian-Kolbe-Werk und hilft ihren Kolleginnen und Kollegen.


Jacek Zieliniewicz
Jacek Zieliniewicz wurde am 10. Mai 1926 in Janowiec Wielkopolski geboren. Sein Vater Franciszek war Schuster von Beruf und seine Mutter Maria war Schneiderin. Der Überfall auf Polen veränderte das Leben der Familie schlagartig. Jacek, der vor dem Krieg ein Gymnasium in Poznań besuchte, wurde Anfang Dezember 1939 zusammen mit seinen Eltern von den deutschen Besatzern nach Końskie in das Generalgouvernement umgesiedelt. Am 20. August 1943 wurde der 17-jährige Jacek verhaftet. Drei Tage später befand er sich als politischer Häftling mit der Nummer 138142 in Auschwitz-Birkenau. Dort arbeitete der junge Gymnasiast als Hilfsarbeiter in einem Elektriker- und Maurerkommando. Nach einem Jahr wurde er ins KZ Dautmergen bei Rottweil (Zollernalbkreis) – ein Außenlager des KZ Natzweiler-Struthof – gebracht. Es herrschten dort katastrophale Lebens- und Arbeitsbedingungen. Jacek Zieliniewicz wog bald nur noch 38 kg. Am 18. April 1945 wurden die Häftlinge in Gruppen auf die Todesmärsche getrieben. Am 23. April 1945 kam die ersehnte Befreiung durch französische Truppenverbände. Der nun 19-jährige Jacek kehrte nach Polen zu seiner Familie in Janowiec Wielkopolski zurück. Er studierte in Posen Lebensmitteltechnologie, wurde Ingenieur und arbeitete 50 Jahre lang in der Fleischwirtschaft. Jacek Zieliniewicz lebt mit seiner Ehefrau in Bydgoszcz. Das Ehepaar Zieliniewicz hat zwei Töchter, 3 Enkel und 3 Urenkel. Zur Ruhe hat sich Jacek Zieliniewicz trotzdem nicht gesetzt, denn es ist ihm wichtig, als einer der letzten Zeitzeugen über die leidvolle Vergangenheit und den NS-Terror Zeugnis abzulegen. Er ist oft in Deutschland und Polen unterwegs, wo er sich vor allem mit jungen Menschen trifft und ihnen über seine Haftzeit in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern berichtet. Er ist auch Vorsitzender der Organisation „Towarzystwo Opieki nad Oświęcimiem“ (Vereinigung zur Betreuung der ehemaligen Auschwitz-Häftlinge) in Bydgoszcz.